Schneeweißchen und Rosenrot – Archetypisches Märchen bei Betonung des Sternzeichens Fische im Geburtshoroskop

Zeichnung des Sternzeichens Fische im Comic-StilFische-betonte Menschen haben eine große Sehnsucht nach dem All-Eins-Sein mit dem gesamten Kosmos. Ihre Sensitivität und Emphatiefähigkeit sind hervorstechende Eigenschaften. Ihr besonderes Mitgefühl und ihre Hilfsbereitschaft für alle Leidenden und Zukurzgekommenen sind charakteristische Wesenseigenschaften. Ihre altruistische Liebe gilt allen Geschöpfen.

Ein Märchen, in dem der Fische-Archetypus gut zum Ausdruck kommt ist „Schneeweißchen und Rosenrot“ von den Gebrüdern Grimm.

Das Märchen erzählt von einer armen Witwe mit zwei Töchtern, die den zwei Rosenbäumchen im Garten vor der Hütte gleichen. Deshalb nannte die Mutter die eine Tochter nach dem weißen Rosenstock Schneeweißchen und die andere Tochter nach dem rotblühenden Rosenstock Rosenrot. Beide Mädchen werden als fromm und gut beschrieben. Oft laufen sie im Wald umher, um Beeren zu sammeln. Ihre tiefe und arglose Verbundenheit mit der Natur wird dadurch ausgedrückt, dass kein Tier ihnen etwas zuleide tut, sondern alle Tiere kommen zutraulich herbei.

Das Schutzengel-Motiv

Eines Tages, als sie einmal im Wald übernachteten, sahen die Mädchen neben ihrem Lager ein schönes Kind in einem weißen glänzenden Kleidchen, das sie freundlich anlächelte, aber nichts sagte und dann im Wald verschwand. Als die Mädchen sich umschauten, sahen sie, dass sie nahe an einem Abgrund geschlafen hatten. Noch ein paar Schritte weiter in der Dunkelheit und sie wären abgestürzt. Die Mutter erklärte ihnen später, dass dies ein Engel gewesen sei. Fische-Menschen sind von ihrer Anlage her sehr mit dem Transzendalen und Spirituellen verbunden. Wenn sie es zulassen, können sie auf die göttliche Führung vertrauen.

Erste Begegnung mit dem Bären

Eines Abends, als Mutter und Töchter sowie ein Lämmchen und ein Täubchen (Symbole der Friedfertigkeit, eine Eigenschaft, die auch dem Tierkreiszeichen Fische zugesprochen wird) gemütlich zusammensaßen, klopfte es an der Türe. Es war ein Bär, der seinen dicken schwarzen Kopf zur Tür hereinstreckte und zu sprechen anfing: „Fürchtet euch nicht, ich tue euch nichts zuleid, ich bin halb erfroren und will mich nur ein wenig bei euch wärmen“. „Du armer Bär“ sprach die Mutter. Der Bär durfte sich ans wärmende Feuer legen und die Mädchen klopften ihm den Schnee aus dem Pelz. Von nun an ließen die Kinder den Bär tagsüber hinaus in den Wald und abends kehrte er wieder zurück. Bereits in der Episode mit dem Bären wird die große Hilfsbereitschaft der Mutter und der Töchter sichtbar, die im Verlauf der Geschichte noch plastischer hervortritt. Als das Frühjahr kam, nahm der Bär Abschied von Schneeweißchen und Rosenrot. Der Bär sagte: „Ich muß in den Wald und meine Schätze vor den bösen Zwergen hüten, die im Sommer bei aufgetauter Erde durchbrechen und stehlen“.

Grenzenlose Nächstenliebe und ihre Folgen

Nach einiger Zeit sahen die Töchter beim Reisigsammeln im Wald einen Zwerg, der sich beim Spalten eines Baumes seinen ellenlangen schneeweißen Bart eingeklemmt hatte und mit eigener Kraft sich nicht befreien konnte. Er glotzte die Mädchen mit roten feurigen Augen an und schrie: „Was steht ihr da! Könnt ihr nicht herbeigehen und mir Beistand leisten?“ Die hilfsbereiten Kinder gaben sich alle Mühe, den Bart herauszuziehen, aber er steckte zu fest. Daraufhin holte Schneeweißchen ein Scherchen aus seiner Tasche und schnitt das Ende des Bartes ab. Der befreite Zwerg griff sofort nach einem Sack voll Gold, der zwischen den Wurzeln des Baumes steckte und brüllte die Mädchen an: „Ungehobeltes Volk, schneidet mir ein Stück von meinem stolzen Bart ab!“ Dann schwang er seinen Sack auf den Rücken und verschwand.

Einige Zeit später begegneten die Mädchen dem Zwerg abermals. Sie sahen, wie sich sein Bart beim Angeln mit der Angelschnur verflocht und er in Gefahr war, von einem großen Fisch ins Wasser gezogen zu werden. Die Mädchen eilten wiederum zu Hilfe und schnitten mit ihrer Schere ein Stück des Zwergenbartes ab. Wiederum ernteten sie seitens des Zwerges keinerlei Dankbarkeit, sondern wurden von diesem wild beschimpft, weil sie seinen Bart ein Stück gestutzt hatten. Der Zwerg holte einen Sack Perlen, der im Schilf lag, und verschwand.

Schließlich begegneten die Mädchen dem Zwerg ein drittes Mal auf einer Heide, als er in den Fängen eines Adlers war. Die mitleidigen Kinder zerrten so lange an dem Männchen bis der Adler seine Beute fahren ließ. Der Zwerg nannte die Mädchen „unbeholfenes und täppisches Gesindel“, weil infolge der Rettungsaktion sein Röckchen zerfetzt wurde. Dann nahm er einen Sack mit Edelsteinen und schlüpfte in seine Höhle. Die Mädchen, die Undank gewohnt waren, setzten ihren Weg fort, um für ihre Mutter Besorgungen in der Stadt zu erledigen.

Kultivierung der Unterscheidungsfähigkeit

Die Mädchen haben dem Zwerg trotz wiederholter Demütigungen opferbereit und hingebungsvoll immer wieder aus seiner Not geholfen. Jemand anderes hätte wahrscheinlich gesagt: „Ich bin einmal auf dich reingefallen, ein zweites Mal passiert mir das nicht wieder.“ Jeder Fische-betonte Mensch wird jedoch aufgrund seines Bedürfnisses alles und jeden zu verstehen Erfahrungen in seinem Leben gemacht haben, wo er feststellen musste, dass das hilfesuchende Opfer seine selbstlose und hingebungsvolle Liebe ausgenutzt hat. Zum Entwicklungsweg der Fische – besonders solcher in sozialen und helfenden Berufen – gehört es, sich immer wieder Rückzugsmöglichkeiten zu schaffen, um keine Burn-Out-Symptome zu erleiden. Auch Unterscheidungsfähigkeit zu kultivieren ist wichtig, um entscheiden zu können, wo Hilfe sinnvoll und angebracht ist. Dann ist es keine naive und sentimentale Liebe mehr, sondern eine Liebe, zu der sich Weisheit gesellt hat, also die weise Liebe, die spürt, welche Haltung die jeweilige Situation erfordert.

Die Erlösung durch Integration des männlichen Prinzips

Jetzt schauen wir uns an, wie das Märchen weitergeht. Wir erinnern uns, dass die Mädchen nach der letzten Begegnung mit dem Zwerg weitergingen, um in der Stadt Besorgungen zu machen.

Als die Mädchen sich beim Heimweg wieder auf der Heide befanden, überraschten sie den Zwerg, wie er auf einem reinlichen Plätzchen gerade seine Schätze ausbreitete. Als er die Mädchen wahrnahm, wurde er „zinnoberrot vor Zorn“ und fing an die Mädchen erneut zu beschimpfen. Als er mit seinen Schimpftiraden fortfahren wollte, kam ein Bär aus dem Wald herbeigetrabt. Der Zwerg flehte den Bär an, sein Leben zu verschonen. Der Bär aber machte kurzen Prozess, kümmerte sich nicht um seine Worte, gab dem boshaften Geschöpf einen einzigen Schlag mit der Tatze, so dass es sich nicht mehr rührte. Den inzwischen fortgelaufenen Mädchen rief der Bär nach: „Schneeweißchen und Rosenrot, fürchtet euch nicht, ich will mit euch gehen“. Da erkannten die Mädchen seine Stimme und blieben stehen. Plötzlich fiel die Bärenhaut ab und er stand da als ein schöner Mann, ganz in Gold gekleidet. Er sprach: „Ich bin eines Königs Sohn und war von dem gottlosen Zwerg verwünscht bis ich durch seinen Tod erlöst wurde“. Schneeweißchen wurde schließlich mit ihm vermählt und Rosenrot mit seinem Bruder.

Zu Beginn des Märchens ist von einer Mutter mit zwei Töchtern die Rede. Ein Vater wird nicht erwähnt. Man kann also sagen, dass das männliche Prinzip fehlte. Es befand sich verzaubert im Unbewußten, dargestellt durch den verzauberten Bär, der in der Schlußszene des Märchens aus dem Wald (=Symbol für das Unbewußte) trat. Wenn es dann im Märchen heißt, dass sie seine Stimme erkannten und der Bär sagte, dass er mit ihnen gehen wolle, bedeutet dies die Erkennung und Erlösung des männlichen Prinzips. Das passive weibliche Ying-Prinzip geht mit dem aktiven männlichen Yang-Prinzip eine Liaison ein, was zur Ganzheit führt. Dies drückt sich in der Bildsprache des Märchens durch eine königliche Vermählung aus.

Das Tierkreiszeichen Fische gehört zum Wasserelement und damit zum Ying-Prinzip. Deshalb ist es für die Psychohygiene von Menschen mit Fische-Betonung im Geburtshoroskop gut, das männliche Yang-Prinzip zu integrieren. Ab und zu mal wie der Bär bewusst auf den Tisch zu hauen und nicht alles duldsam zu ertragen, kann zu manchem erhellenden Aha-Erlebnis beitragen.

Die bereits erwähnte Unterscheidungsfähigkeit kann sich das Sternzeichen Fische vom Gegenzeichen Jungfrau abschauen; denn das Sternzeichen Jungfrau ist bekannt für seine analytische Unterscheidungsfähigkeit, z.B. was ist gut und was ist böse, was ist gesund und was ungesund. Interessant in diesem Zusammenhang finde ich, dass bei den Indianern der Bär das Totemtier (Schutztier) für das Sternzeichen Jungfrau ist.

Eine abschließende Bemerkung: Im Märchen „Schneeweißchen und Rosenrot“ wie beim Fische-Archetyp haben wir die Opferbereitschaft und mögliche Ausbeutung der eigenen energetischen Ressourcen beschrieben. Analog dazu kann man auch die ungezügelte Ausbeutung der Naturschätze und Ressourcen sehen (im Märchen verbargen sich die Schätze einmal zwischen Baumwurzeln und ein andermal im Schilf). Auch die Natur zeigte sich lange opferbereit und geduldig – aber zunehmend wehrt sie sich. Wenn wir Menschen nicht die Reißleine ziehen, muss es wohl die Natur tun.