Fitchers Vogel – Archetypisches Märchen bei Betonung des Sternzeichens Skorpion im Geburtshoroskop

Zeichnung des Sternzeichens Skorpion im Comic-StilDas Grimm´sche Märchen „Fitchers Vogel“ kennen wohl nur wenige von uns aus ihrer Kindheit. Den Themen, die in diesem Märchen anklingen, weichen wir Menschen meistens aus, weil sie uns unangenehm sind. Wie beim Sternzeichen Skorpion geht es hier um tabubehaftete Themen wie Tod und Sexualität. Auch im Skorpionmonat November ist die Natur dem zyklischen Prozess des Stirb und Werde ausgesetzt. Jedem Werden geht ein Sterben voraus.

Das Märchen „Fitchers Vogel“ erzählt von einem Hexenmeister, der – als armer Bettler verkleidet – vor dem Haus eines Mannes mit drei schönen Töchtern erscheint und um Brot bettelt. Als die älteste der Töchter ihm ein Stück Brot reicht „rührte er sie an und sie mußte in seine Kötze* springen“. Nachdem es im Märchen heißt, dass das Mädchen in den Korb springen musste, kann man davon ausgehen, dass der Hexenmeister eine Art magische sexuelle Anziehungskraft ausstrahlte, der sie ausgeliefert war. Skorpionbetonte Menschen beiderlei Geschlechts haben oft eine geheimnisvolle magnetisch-erotische Ausstrahlung.

Der Hexenmeister bringt die junge Frau in sein Haus, das voll von Silber und Gold in allen Räumen glänzt und sie ist begeistert von all der Pracht. Beim Tierkreiszeichen Skorpion, das – wie das Tierkreiszeichen Stier – in der Astrologie zur sogenannten Besitzachse gehört – spielen Status- und Besitzdenken auf dem Entwicklungsweg meist eine wichtige Rolle. Zum Schutz des Egos wird dann eine undurchdringliche Fassade aufrechterhalten. Ein Skorpion könnte dann sagen: Wie es innen aussieht, geht niemand was an. Deshalb darf das Mädchen im Märchen alle Räumlichkeiten des prächtigen Hauses besichtigen, jedoch der Zugang zu einem speziellen Raum wird ihr vom Hexenmeister unter Androhung der Todesstrafe verboten.

Die Schlüsselfrage und der Tabubruch

Als der Hexenmeister eines Tages verreist ist, packt das Mädchen die Neugier und die Frage, was sich hinter der Tür des verbotenen Raumes verbergen könnte. Sie öffnet mit dem herumliegenden Schlüssel die verbotene Tür. Auch bei Skorpion ist der Verstoß gegen Tabus ein großes Thema. Bewusstwerdung ist dabei eines der Tabus. Was das Mädchen nun zu sehen bekommt ist schauerlich: „Ein großes blutiges Becken stand in der Mitte, und darin lagen tote zerhauene Menschen“. Als der (eifersüchtige!) Hexenmeister nach seiner Rückkehr bemerkt, dass das Mädchen sich nicht an das Verbot gehalten hatte, spricht er: „Bist du gegen meinen Willen in die Kammer gegangen, so sollst du gegen deinen Willen wieder hinein. Dein Leben ist zu Ende“. Schließlich ereilt sie das gleiche Schicksal wie die anderen zerstückelten Menschen und sie wird in das Becken der Gruselkammer geworfen.

Der Hexenmeister holt mit seinem unwiderstehlichen Charme schließlich auch die zweite Schwester in sein Haus. Auch sie legt eine ungezähmte Neugierde an den Tag. Auch sie widersetzt sich den Befehlen des Hexenmeisters, benützt den Schlüssel zur verbotenen Tür und muß dies wie ihre Schwester zuvor mit dem Leben büßen.

Und nun holt der Hexenmeister auch die dritte und jüngste Schwester. Sie geht allerdings schlauer und listiger als ihre beiden anderen Schwestern vor. Das könnte bedeuten, dass sie der Faszination des Hexenmeisters und ihrer Leidenschaft nicht ganz erlegen ist, sondern noch ein Stück ihres gesunden Menschenverstands behält. Auch die jüngste Schwester schließt die verbotene Tür auf und findet ihre jämmerlich ermordeten Schwestern. Die jüngste Schwester lässt sich allerdings von dem Schock nicht lähmen, verfällt nicht ins Jammern und Wehklagen, sondern macht sich aktiv an die Arbeit. Dazu heißt es im Märchen: „Aber sie hub an und suchte die Glieder zusammen und legte sie zurecht, Kopf und Leib, Arm und Beine. Und als nichts mehr fehlte, da fingen die Glieder an, sich zu regen, und schlossen sich aneinander, und beide Mädchen öffneten die Augen und waren wieder lebendig“. Da der Hexenmeister nun glaubt, die jüngste der Schwestern hätte sein Verbot, sein Tabu nicht verletzt, will er sie zu seiner Braut machen. Aber jetzt kommt der vielsagende und spannende Satz im Märchen, wo es heißt: „Er hatte jetzt keine Macht mehr über sie und musste tun, was sie verlangte“. Was kann uns dieser Satz sagen? Auch wenn im Märchen von drei Schwestern die Rede ist,handelt es sich hier um ein- und dieselbe Person, bei der Wesensteile unbewußt bzw. bisher unterdrückt oder verdrängt wurden und von den einzelnen Schwestern repräsentiert werden. Die Verdrängung negativer, aber auch positiver Instinkte, Triebe und Gefühle in den Bereich des Unbewußten führen zur Erzeugung einer Schattenwelt in der Psyche, in der sich das Unterdrückte ansiedelt und dort sein Unwesen treibt.

Kreativität und Durchsetzungskraft

Im Märchen erkennt die Frau schließlich, wie sie selbst destruktiv und selbstzerstörerisch mit sich umgegangen ist und sieht damit ihre eigenen Schattenseiten. Psychologisch ausgedrückt integriert sie schließlich ihre bisher verdrängten Seiten, was im Märchen dadurch ausgedrückt wird, dass sie alle Knochen und Glieder wieder zusammensetzt und damit ganz und heil wird. Durch ihre Bewusstheit und die Gabe der Ganzheit hat der Hexenmeister nunmehr keine Macht mehr über sie und die Frau gewinnt eine unüberwindliche Entschlusskraft, verbunden mit kreativen Energien.

Dies zeigt sich im Märchen dadurch, dass die Frau bzw. Braut einen Korb voll Gold füllen lässt und unter dem Gold die bisher von ihr vor den Augen des Hexenmeisters versteckten wieder lebendigen Schwestern verbirgt. Der Hexenmeister erhält von ihr den Auftrag, diesen Korb voll Gold zu ihrem Vater und ihrer Mutter zu bringen. In der Zwischenzeit – so gibt sie vor – würde sie die Hochzeit vorbereiten.

Die Transformation

Bevor die Hochzeitsgäste eintreffen und der sogenannte Bräutigam heim kommt, steigt die Frau in einen Honigtopf, schlitzt ein Daunenkissen auf, wälzt sich darin, und verwandelt bzw. transformiert sich damit in einen „wunderlichen“ Vogel namens Fitchers Vogel. Aufgrund der Verwandlung in Fitchers Vogel wird die Braut sowohl von den inzwischen eingetroffenen Hochzeitsgästen als auch vom heimgekehrten Bräutigam nicht mehr erkannt. Dadurch gelingt es ihr, sich endgültig aus den Fängen des Hexenmeisters zu befreien. In Märchen und Mythen symbolisieren Vögel einen freien, unabhängigen Geist; d.h. aus dem Vogel im goldenen Käfig, der alles besitzt außer der Freiheit, wird – nach vielen Krisen – endlich das, was er im tiefsten Grunde seines Wesens ist. Die Frau hat damit eine Transformation auf eine andere Ebene vollzogen. Auch in der Astrologie spricht man bei der Transformation zu einem erlösten Skorpion davon, dass er wie ein Adler oder Phönix mit mächtigen Flügelschlägen aus der Asche bis zum Allerhöchsten emporfliegt und dass dann die geläuterte Skorpionkraft als Heilkraft auch für andere wirksam wird.

Eine Klientin mit Skorpionbetonung im Geburtshoroskop, die in eine sehr statusbetonte Unternehmerfamilie hineingeheiratet hatte, erzählte mir folgenden Traum: Sie sah zwei Schaufenster. In dem einen Fenster waren Pelzmäntel und das andere Schaufenster gehörte einem Beerdigungsinstitut. Im Traum hörte sie die Stimme: Alles was nur ausgestellt wird, muß sterben. Ihr wurde damit klar, dass sie nur in einer Welt des äußeren Scheins lebte, in einem goldenen Käfig. Ihre seelischen Bedürfnisse wurden in der rein an materiellen Dingen und gesellschaftlichem Ansehen interessierten Familie nicht nur missachtet – sie wurde deswegen auch verachtet. Sie ist schließlich in die Kellergewölbe ihrer eigenen Psyche gestiegen und hat wie im Märchen ihre abgestorbenen Persönlichkeitsanteile und Talente zusammengesetzt. Sie ist aus der Luxusvilla ausgezogen, hat ihre Angepasstheit aufgegeben und mehrere Ausbildungen gemacht in Bereichen, nach denen ihre Seele gehungert hat. Heute ist sie Heilpraktikerin, Psychotherapeutin und Expertin in heilsamen Atemtechniken. Sie lebt jetzt im Einklang mit ihrem inneren Wesen. Ihre geläuterte und erlöste Skorpionkraft wirkt jetzt als Heilkraft gegenüber ihren Patienten.

Aber um dies zu erreichen, musste diese Frau erst ein Tabu brechen und zwar das Tabu des sich selbst Bewusstwerdens und sie musste der Wahrheit ins Gesicht schauen.

Zum Schluß ein Wort von Konfuzius, der sinngemäß sagte: „In die Tiefe musst du steigen, soll sich dir das Wesen zeigen … und im Abgrund wohnt die Wahrheit“. Dieser Satz gilt für alle Menschen, egal welches Sternzeichen sie haben, aber für Skorpione ist diese Aussage lebensnotwendig, um ein geglücktes Leben zu führen.

* Korb